Landvolk bringt in Niederalteich Fachleute zu Klimawandel und Tierwohl zusammen

21.11.2022 | Fachtagung „Landwirtschaft im Spannungsfeld“

Die Leiterin der LVHS, Barbara Schmidt, begrüßte in Niederalteich rund zwanzig Vertreterinnen und Vertreter aus Landwirtschaft, Wissenschaft, Ethik, Ämtern und Verbänden. Niederalteich sei als Pilgerort immer schon Teil eines Weges gewesen. So stelle auch die Tagung einen Weg in den Fokus, nämlich den der Gesellschaft und im Speziellen der Landwirtschaft durch aktuelle Herausforderungen.

Klimaproblem lässt sich verlangsamen, nicht verringern
Dr. Thomas Guggenberger eröffnete die Tagung mit seinem Vortrag über wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel und zum Tierwohl. Der Leiter des Instituts für Nutztierforschung HBLFA Raumberg-Gumpenstein verschaffte in seinem Vortrag einen Überblick über das langfristige Fortschreiten der Klimaerwärmung. Das Problem sei sowohl additiv als auch langfristig. Man könne nicht davon ausgehen, dass man die Klimabilanz jedes Jahr wieder neu schreiben könne. Klimaerwärmung schreite so lange weiter voran, bis wir Treibhausgas-Emissionen vollkommen einstellen. Man könne das Problem also vor allem verlangsamen, nicht verringern. „Es ist nicht nur wichtig, zu handeln, sondern auch schnell zu handeln“, so Guggenberger. Die Transformation der Energiewende müsse geschafft  werden und innerhalb dieser müsse gleichzeitig auch die Landwirtschaftswende laufen: „Die Landwirtschaft muss sich der Gesellschaft annähern.“ Als Ausweg nannte er mitunter die standortgerechte Landwirtschaft und mit ihr auch die tiefgreifende Evaluation des Tierwohls.

Brancheninitiative Tierwohl als freiwilliges Programm
Über Herausforderungen im Verhältnis zwischen Tierwohl und Markt referierte Isabella Timm-Guri, Direktorin des Fachbereichs Erzeugung und Vermarktung des Bayerischen Bauernverbands. Am Markt seien die Wünsche in puncto Tierwohl groß, entsprechende Handlungen jedoch eher gering. „Im Moment ist das Tierwohl leider mehr Ladenhüter als
gewünscht“, so Timm-Guri. Die Referentin stellte in ihrem Vortrag die Brancheninitiative Tierwohl (ITW) vor. Diese sei als ein freiwilliges Programm für höhere Tierwohlanforderungen mit entsprechendem Kostenausgleich initiiert worden und fördere vorrangig den Austausch zwischen Landwirtschaft und Einzelhandel. „Ziel ist es, mehr in die Breite zu kommen“,
beschreibt Timm-Guri die Initiative. Die ITW biete viele Chancen, sehe sich insgesamt aber auch Grenzen gegenüber. So sei beispielsweise die Marktmacht des Einzelhandels insbesondere in Bezug auf Finanzierung nach wie vor stark spürbar und die verbindliche Programmdauer von drei Jahren sei für langfristige Veränderung zu kurz.
Um die Herausforderungen in der Zukunft zu bewältigen, sei schließlich eine nachhaltige Verzahnung von Markt und Politik wesentlich: „Der Markt alleine wird es nicht richten.“ Das Engagement solle jedoch weit über das bestehende Tierhaltungskennzeichnungsgesetz hinausgehen, das Timm-Guri als lückenhaft und mit „Zerstörungspotenzial“ kritisierte.

Mensch und Tier – eine Frage der Ethik
Theologe und Religionswissenschaftler Stefan Haider näherte sich dem Spannungsfeld von Landwirtschaft und Gesellschaft schließlich aus ethischer Perspektive und stellte dabei die Frage: „Wo liegt die Verantwortung bei den Problemen, die wir gerade vorfinden?“ Seinem Vortrag zu Grunde lag der Kampf zwischen Kultur und Natur und die damit zusammenhängende Naturethik. Im Wunsch, die Natur zu schützen, verkläre und romantisiere sie der Mensch und schaffe ethisch schwer-begründbare Bewahrungskonzepte.
Die Beziehung zwischen Mensch und Tier habe sich im Lauf der Zeit stark gewandelt. So sei es Anliegen des Tierschutzes gewesen, die Fehlbehauptung aufzuklären, dass Tiere kein Leid spüren könnten. Dieser Gedanke habe sich weiter entwickelt hin zum Verständnis von Tierwohl als „artgerechtes bzw. gutes Leben“ und gipfele nun in der Frage, inwieweit es
Tierrechte überhaupt erlauben, „Tiere zu halten, zu nutzen und zu töten.“ Einen Umgang mit den verschiedenen existierenden Positionen zu finden, sei heute Aufgabe der Tierethik.

Fachtagung brachte Austausch – auch mit BBV-Präsident
Die Teilnehmenden zeigten sich erfreut über die Möglichkeit zum Austausch im kleinen Kreis und suchten auch zwischen den Vorträgen das Gespräch mit den Referentinnen und Referenten. 
Am Nachmittag stieß außerdem überraschend der neue Präsident des Bayerischen
Bauernverbands, Günther Felßner, zur Tagung hinzu, der ebenfalls noch einmal den Beitrag der Landwirtschaft zu positiven Veränderungen hervor hob. Bei der Podiumsrunde am Ende der Veranstaltung bot sich schließlich die Gelegenheit, noch einmal ausführlich über die besprochenen Themen zu diskutieren, u. a mit Hubert Bittlmayer (Amtschef des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten), Andreas Felsl (Vorsitzender der KLB Bayern) sowie Franz Wieser (Agrarreferent KLJB Bayern).
 

Pressetext und Fotos: Tamina Friedl (Bistum Passau)